Dr. Seltsam, oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben

Poster
Originaltitel:
Dr. Strangelove or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb
Jahr:
1964
Eingetragen:
26.03.2014
IMDB-Wertung:
8,4/10
TMDB-Wertung:
8,1/10


Hannes schreibt:

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General Turgidson in Klausur mit seiner Sekretärin
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Ronald Reagans „War Room“
Die schlimmsten Übel der Welt sind dermaßen absurd, dass man ihnen nur mit Humor begegnen kann. Ganz im Sinne von Chaplins Großen Diktator oder Lubitschs Sein oder Nichtsein drehte Stanley Kubrick im Fahrwasser der noch frischen Kuba-Krise Dr. Seltsam. Nur dass diesmal nicht über das fremde Böse lachte, sondern über das ganz eigene. So dass Vielen wahrscheinlich das Lachen im Halse stecken blieb.

Zu recht, denn Dr. Seltsams Humor ist tiefschwarz und boshaft. Alles beginnt mit General Ripper (Sterling Hayden), der für seine persönlichen sexuellen Probleme eine groß angelegte kommunistische Weltverschwörung verantwortlich macht – weshalb er gleich mal eine Lücke in der durchdachten Atomwaffenstrategie der USA nutzt, um seine gut bestückten Bomber eigenmächtig tief in die UdSSR zu schicken. Ein Rückruf ist ohne den richtigen Geheimcode, den nur Ripper selbst kennt, unmöglich, wie der sofort einberufene Krisenstab feststellt.

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Ja, natürlich telefoniere ich gerne mit dir, Dimitri!
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Das ist Privateigentum!
Auch hier findet sich gleich eine Absurdität, die vielen Zuschauern gar nicht aufzufallen scheint: Dem Krisenstab gehören, neben dem US-Präsidenten (Peter Sellers) ausschließlich hochrangige Militärs an. So dass erstmal sehr ausführlich und sehr ernsthaft darüber gestritten wird, ob man die Bomber überhaupt zurückrufen solle, oder nicht lieber die Gelegenheit nutzen könne, den Rest auch gleich noch hinterherzuschicken! Schließlich setzt sich jedoch die Stimme der Vernunft durch und man nimmt Kontakt mit Vertretern der Sowjetregierung auf, um gemeinsam das Schlimmste zu verhindern. Oder es zumindest zu versuchen, denn auf sowjetischer Seite droht die automatische Weltvernichtungsmaschine, die durch nichts und niemanden gestoppt werden könne, anzuspringen.

Und so geht es weiter. Der Humor liegt darin, dass einem so treffend vor Augen geführt wird, wie diese Entscheidungen über Überleben oder Tod allen Lebens auf der Erde von völlig normalen Menschen getroffen werden. Manche davon etwas vernünftiger, manche weniger – aber allesamt sind sie mit ihren überzeichneten, aber realistischen Schwächen eben menschlich. Menschen, die nicht aus ihrer Haut rauskönnen, denn der Wahnsinn geht immer weiter – selbst im sich steigernden Angesicht der totalen Zerstörung der Welt.

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Yeehaw, Cowboy!
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Ich habe einen Plan…
So ist es nur folgerichtig, dass der Film selbstverständlich mit jener endet, während die Generäle schon für den nächsten Krieg – nämlich den um die unterirdischen Minenschächte, in denen ein Überleben weniger eventuell noch möglich sein könnte – planen. Und auch der alte Naziwissenschaftler Dr. Seltsam (Peter Sellers) bekommt bei der Aussicht, nun endlich den Plan eines selektiven Fortpflanzungsprogramms umsetzen zu können, wieder Oberwasser („Mein Führer! Ich kann wieder gehen!“).

Apropos Dr. Seltsam: Neben Kubrick setzt sich hier auch Peter Sellers ein Denkmal. In gleich drei Rollen ist er zu sehen, allesamt tragend. Es ist einfach ein Genuss ihm zuzusehen – echte Schauspieler haben kein Problem damit, selbst in der gleichen Szene mehrfach präsent zu sein, ohne dass das dem Zuschauer problematisch vorkommt. Doch auch der Rest der Besetzung (eine weitere Glanzvorstellung liefert George C. Scott ab) ist stark genug, so dass es nicht zur reinen Sellers-Show verkommt.

Das größte Lob, dass man Dr. Seltsam allerdings aussprechen kann, ist wohl, dass man auch beim x-ten Ansehen immer wieder neue kleine Details auffallen. Ob es eine weitere unsterbliche Dialogzeile oder nur eine scheinbar unbedeutende Geste ist.

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