Bitter Moon

Poster
Originaltitel:
Bitter Moon
Jahr:
1992
Eingetragen:
31.12.2012
IMDB-Wertung:
7,2/10
TMDB-Wertung:
7,1/10


Hannes schreibt:

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Nigel ist hin- und hergerissen – er weiß genau, was ihn hinter dieser Kabinentür erwartet
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Nigel (Hugh Grant) und Fiona (Kristin Scott Thomas), seit sieben Jahren verheiratet, befinden sich auf einer Schiffsreise nach Indien – eine Art zweite Hochzeitsreise, allerdings, wie es sich für Engländer gehört, eine, die man keinesfalls als leidenschaftlich bezeichnen kann. Sie machen die Bekanntschaft eines anderen Paars, das alles andere als gewöhnlich ist: Oscar (Peter Coyote), US-Amerikaner im Rollstuhl, und Mimi (Emanuelle Seigner), seine offensichtlich gelangweilte, jüngere Frau. Nigel fühlt sich von dem sexuell provokantem Auftreten Mimis durchaus angezogen. Doch erstmal gerät er in die Fänge Oscars, der ihm in langen abendlichen Sitzungen seine gesamte Historie mit Mimi erzählt.

Die detaillierte und äußerst graphische Beschreibung aller Details seit ihrem Kennenlernen schockiert den verklemmten Nigel einerseits, andererseits ist er fasziniert von dem, was ihm, einem völlig Fremden, da offenbahrt wird. Oscars und Mimis Beziehung war immer eine der Extreme gewesen und verlief in mehreren Phasen. Auf unbändige Leidenschaft folgten immer neue sadomasochistische Höhepunkte bis irgendwann alles ausprobiert gewesen zu sein schien. Oscar, der das Abgleiten in immer größere gegenseitige Demütigungen erkannte und die Beziehung beenden wollte, gewann schließlich dadurch die Oberhand, dass Mimi bereits gefangen in diesem Kreislauf und bereit war, sich komplett zu unterwerfen. Er konnte dieser Gelegenheit nicht widerstehen und genoss immer schlimmere Demütigungen der ihm nun völlig hörigen und langsam auch körperlich verfallenden Mimi. Schließlich setzte er sie unter dem Vorwand eines gemeinsamen Versöhnungsurlaubs in ein Flugzeug und ließ sie allein davonfliegen. Nach zwei Jahren kehrte sie jedoch zurück… und machte ihn zum Krüppel.

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Da war es alles noch ein relativ harmloses Spiel
Nun war er es, der von ihr abhängig war, denn um ihre aufgestauten Rachegelüste zu befriedigen blieb sie bei ihm und übernahm seine Pflege. Nun war sie es, die vor dem hilflosen (und nicht zu vergessen impotenten) Oscar offen ihre Liebesaffären auslebte, ihn von der Außenwelt abschnitt und auch sonst auf jede erdenkliche Weise quälte. In gegenseitiger Abhängigkeite gefangen heirateten die beiden schließlich. Zurück in der Gegenwart der Schiffsreise ist Nigel immer mehr gefangen zwischen seinem durch all diese Geschichten aufgebauten Verlangen für Mimi, da er sich selbst eingestehen muss, solch intensive Leidenschaft einfach noch niemals erlebt zu haben, und seiner Treue für seine Frau. Oscar ermutigt ihn, es mit Mimi zu versuchen. Doch es kommt alles anders als gedacht.

Solche Geschichten sind schon oft genug in die Hose gegangen. Doch in den Händen Roman Polanskis erlebt man als Zuschauer eine solch intensive emotionale Achterbahn, dass man ebenso wie Nigel immer weiter gefesselt wird. Diese Hassliebe, die sich über zwei Stunden vor einem ausbreitet, ist schwer zu verdauen – und endet, da eben Nigel geschickt zur Identifikationsfigur der Zuschauer aufgebaut wurde, während Fiona die meiste Zeit seekrank (und damit aus dem Blick) in ihrer Kabine lag, mit der vielleicht größtmöglichen Demütigung, die dann wirklich ins innerste trifft.

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Nun hat Mimi Macht und Kontrolle über Oscar – und nutzt sie ebenso gnadenlos aus, wie er zuvor andersherum
Dabei ist immer zu bedenken, was Mimi gegen Ende auf dem Silvesterball Nigel gegenüber äußert: Das Bild von ihr, dass er (und damit der Zuschauer) sich von ihr aufgebaut hat, ist nur eine Fantasie, basierend rein auf den Erzählungen ihres völlig verbitterten und lebensmüden Ehemannes. Nigel versteht diese Erkenntnis in dem Moment nicht, doch es ist genau die Situation, in der sich die Zuschauer eines Filmes immer befinden: Sie sind von der Auswahl und auch Aufbereitung der Informationen durch den Erzähler vollkommen abhängig. Wenn dieser Erzähler Polanski heißt, dann kann man sich sicher sein, dass kein Zwischenschnitt, kein Blick, keine Geste und kein Wort (Oscar erzählt in der blumig ausgeschmückten Sprache eines Schriftstellers) zufällig gewählt sind und dass er absolut fähig ist, einen so zu manipulieren, wie er es will.

Nicht, dass man sich angesichts solcher eindrucksvollen Meisterwerke beschwert, in dieser Abhängigkeitsbeziehung zu sein. Ganz wie auch gewisse Charaktere im Film und ihre selbstgewählten Abhängigkeiten voneinander…

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