Die Reise

Poster
Originaltitel:
El Viaje
Jahr:
1992
Eingetragen:
30.06.2016
IMDB-Wertung:
7,1/10
TMDB-Wertung:
5,2/10


Hannes schreibt:

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Zu Hause gibt es keine Perspektive
Martín (Walter Quiroz) fristet sein ödes Dasein auf Feuerland zwischen der repressiven Staatsschule und seinem lieblosen Zuhause seiner Mutter (DOminique Sanda) und seines Stiefvaters. Das Bild seines leiblichen Vaters, der die Familie vor Jahren verlassen hat, repräsentiert für ihn das freie, erfüllte Leben, das er sich erträumt. Also schwingt er sich auf sein Fahrrad und macht sich auf den Weg nach Norden.

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Träume von Freiheit
Sein Weg führt ihn stationsweise durch ganz Südamerika. Der farcische Tonfall, der mit der vom Schneetreiben durchdrungenen, im wahrsten Sinne des Wortes in ihre Bestandteile zerfallenden „Musterschule“ beginnt, bleibt der Geschichte dabei durchgehend erhalten. Neoliberaler Privatisierungswahn, die Hörigkeit Lateinamerikas gegenüber den USA und die Ausbeutung der Bevölkerung sind dabei die leitenden Motive, wenn Argentinien Präsident Dr. Frosch (Carlos Carella) beispielsweise ganze Stadtviertel der Hauptstadt (die im Übrigen komplett unter Wasser steht) verkauft, der „Kongress der knienden Länder“ tagt oder Gürtelweiten offiziell geprüft werden, um die Einhaltung von Nahrungsregelungen zu überwachen.

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Subtil ist das alles sicher nicht; streckenweise wird so dick aufgetragen, dass man schon von einer politischen Predigt hart an der Grenze zwischen Seriosität und Cliché sprechen könnte. Als Anlass der Beschäftigung mit der tatsächlichen politischen Situation Südamerikas Anfang der 90er Jahre ist es jedoch trotzdem ganz interessant.

Wirklich spannender könnte es sich jedoch noch auf der persönlichen Ebene gestalten. Immer wieder trifft Martín auf bizarre Figuren wie den LKW-Fahrer Americo Inconcluso (Kiko Mendive), der den Comics seines Vaters entstammt, sowie ein stummes Mädchen im roten Kleid. Ebenso wie das finale Treffen mit seinem Vater selbst sind diese wohl in der Phantasiewelt Martíns zu verorten.

Ganz in der Tradition des Road Movies handelt es sich bei dieser Reise nämlich auch um die innere „Reise“ des Erwachsenwerdens: Was Martín schließlich lernt ist, dass er sein Schicksal selbst in die Hand nehmen muss, anstatt sich in Traumwelten mit imaginären, starken Retterfiguren zu flüchten. Vielleicht nicht die neueste Erkenntnis, aber zeitlos relevant.

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